Multiple Sklerose: Wirken sich geistige Tätigkeiten positiv auf Krankheitssymptome aus?

Anspruchsvolle geistige Tätigkeiten in Beruf und Alltag wirken sich positiv auf die Hirnleistungen von Personen aus, die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind, was nun in einer Langzeitstudie der Universität Regensburg nachgewiesen werden konnte. 

Die sogenannte kognitive Reserve und ihre Rolle bei der Therapie von Erkrankungen, die mit kognitiven Beeinträchtigungen einhergehen, sind in den letzten Jahren zunehmend ins Zentrum der Forschung gerückt. Unter kognitiver Reserve versteht man die geistigen Potenziale, die Menschen im mittleren Alter nicht benötigen, auf die sie aber im Alter zurückgreifen, wenn die kognitiven Fähigkeiten schrittweise nachlassen. Beeinträchtigungen der Hirnleistungen – beispielsweise bei einer Demenz – können auf diese Weise anfänglich noch gut kompensiert werden. Eine anspruchsvolle geistige Tätigkeit, Bildung, berufliche Fertigkeiten, Sprachvermögen oder ein reges Sozialleben führen zu einer ausgeprägten kognitiven Stimulation und können diese Möglichkeiten der Kompensation verbessern bzw. die kognitive Reserve vergrößern. Ergotherapie Grevenbroich-Multiple Sklerose

Vor diesem Hintergrund haben die Regensburger Wissenschaftler um Prof. Weißert 128 Patientinnen und Patienten unterschiedlicher Bildungsniveaus, die an Multipler Sklerose erkrankt sind, in einer Langzeituntersuchung evaluiert. Im Zeitraum von 2000 bis 2012 wurden die Leistungsfähigkeit der Patientinnen und Patienten mit Blick auf die Funktionen Aufmerksamkeit, Langzeitgedächtnis, Arbeitsgedächtnis, Wahrnehmung und Sprache detailliert untersucht. Insgesamt 27 neuropsychologische Testverfahren kamen dabei zum Einsatz. Zudem befragte man die Patientinnen und Patienten zu ihrer Schul- und Weiterbildung, ihrem Beruf, ihren Alltagsaktivitäten, Hobbies und Leseaktivitäten.

Die Regensburger Studie bestätigte nicht nur, dass sich geistige Tätigkeiten in Beruf und Alltag positiv auf den Erhalt von Hirnleistungen im Krankheitsverlauf auswirken. Sie zeigte auch, dass eine lange Schul- und Ausbildungszeit mit einem günstigeren Verlauf mit Blick auf die Krankheitssymptome verbunden waren. Auf der anderen Seite wirkte sich eine hohe Aktivität in Beruf und Alltag bei Patientinnen und Patienten mit kurzer Ausbildungszeit deutlicher auf den Erhalt der Hirnleistungen aus, als dieses bei den Personen der Fall war, die eine längere Ausbildungszeit durchlaufen hatten. Eine kürzere Ausbildungszeit kann demnach durch eine hohe sportliche Aktivität, eine anspruchsvolle berufliche Tätigkeit und häufiges Lesen ausgeglichen werden.

Die Beobachtungen der Forscher dürften Konsequenzen für die Planung neuer Rehabilitations- und Therapieverfahren gegen Multiple Sklerose haben.

 

Titel der Originalpublikation:
Luerding Ralf, Gebel Sophie, Gebel Eva-Maria, Schwab-Malek Susanne, Weissert Robert. Influence of Formal Education on Cognitive Reserve in Patients with Multiple Sclerosis
http://epub.uni-regensburg.de/33588/1/fneur-07-00046.pdf

Quelle: Universität Regensburg